- Sankt Nikolaus: Historische Wirklichkeit und Brauchtum
- Sankt Nikolaus: Historische Wirklichkeit und BrauchtumDas Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember geht zurück auf Nikolaus von Myra (*Patras, Lykien um 370, ✝ um 342), der im vierten Jahrhundert als Bischof in der kleinasiatischen Stadt südwestlich von Antalya gelebt haben soll. Gesicherte historische Quellen fehlen allerdings. Wichtigen Einfluss auf die Legendenbildung hatte der gleichnamige Abt Nikolaus des Klosters Sion bei Myra im sechsten Jahrhundert.Die Nikolausverehrung breitete sich bald von Griechenland über Russland nach ganz Europa aus und erreichte einen Höhepunkt im späten Mittelalter. So wurde der heilige Nikolaus zum Schutzpatron der Apotheker, der Bäcker, der Gefangenen, der Juristen, der Kaufleute, der Kinder und Schüler und der Schiffer.Die Nikolausbräuche haben heutzutage vor allem in katholischen Gebieten Bestand. Die evangelische Kirche feiert die Bescherung, die mit dem Nikolausfest verbunden ist, nicht mehr am Nikolaustag, dem 6. Dezember, sondern am Weihnachtsfest. Deshalb ist hier der Nikolaus zum Weihnachtsmann geworden.In den angelsächsischen Ländern hat sich der Name von Sankt Nikolaus zu Santa Claus weitergebildet.Die (griechische) UrlegendeDie Legende vom Nikolaus, also die Darstellung seiner Lebensgeschichte, ist vor allem in der »legenda aurea« des Jakobus de Voraigne zu finden.Danach verhindert der Heilige einen Anschlag der Göttin Artemis: Die hatte Wallfahrern auf der Schiffsreise zum Grab des Heiligen Öl für die Lampen am Heiligtum mitgegeben. Im Traum befiehlt der heilige Nikolaus nun den Gläubigen, das Gefäß mit dem Öl ins Wasser zu werfen. Als die Gläubigen das tun, braust das Öl im Wasser auf und beweist so seine unheilvolle Herkunft.Ein weiteres Legendenmotiv des heiligen Nikolaus ist das Kornwunder. Auf Anraten des Heiligen hin entladen die Matrosen von alexandrinischen Kornschiffen einen Teil ihrer Fracht in der Stadt Andraike, die von einer Hungersnot bedroht ist. Als das Kornschiff dann in seinem Zielhafen angekommen ist, stellt die Besatzung fest, dass die Ladung sich nicht verringert hat.Schließlich gehört zur Legendendarstellung des heiligen Nikolaus, dass er drei Goldkugeln in das Haus eines armen Mannes wirft, damit dessen Töchter angemessen verheiratet werden können.Die ikonographische (bildhafte) DarstellungDer heilige Nikolaus wird anfangs in einfacher Bischofstracht dargestellt. Später kommen drei goldene Kugeln dazu, eben die, die er in das Haus des armen Mannes geworfen hat. In Deutschland gibt es auch Nikolausdarstellungen, die ihn mit drei Broten oder mit drei Äpfeln zeigen.Der NikolauskultEin Nikolauskult, also eine festgesetzte und geregelte Form des Umgangs mit dem Heiligen, entsteht bereits im sechsten Jahrhundert in Myra und in Konstantinopel. Er verbreitet sich dann bald über die gesamte Ostkirche.Um das Jahr 1000 begann die Nikolausverehrung auch in Deutschland. Dies geschah vor allem durch das Wirken der aus Byzanz stammenden Kaiserin Theophanu, der Gattin Ottos II. Nikolaus wurde Patron einer großen Anzahl von Altären, Kapellen und Kirchen sowie Schutzheiliger der Kauf- und Seeleute. So waren noch vor dem Jahre 1500 über 2 000 Kultstätten in Westeuropa und Skandinavien eingerichtet worden.Bedeutend für den Nikolauskult war auch die Überführung seiner Gebeine von Myra nach Bari im Jahre 1087, denn keine andere Überführung von Reliquien ist im Mittelalter öfter beschrieben worden als die der Gebeine des heiligen Nikolaus.Die NikolausbräucheUm die legendenumwobene Gestalt des heiligen Nikolaus hat sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Bräuchen entwickelt. Sie gehen zum einen zurück auf die Legenden um seine Person, zum anderen auf das mittelalterliche Spiel der Erwählung eines Kinderbischofs (ludus episcopi puerorum), bei dem in den geistlichen Knabenschulen ein Kinderbischof gewählt wurde.Seit dem 13. Jahrhundert wurde dieses mit Umzügen verbundene Fest am 6. Dezember, dem Nikolaustag, gefeiert. Der Kinderbischof hatte für einen Tag das Regiment und befragte und bescherte seine Altersgenossen. Hieraus entwickelte sich das Brauchtum des gütigen und die Kinder am Vorabend seines Festes beschenkenden heiligen Nikolaus.Einkehr des Heiligen NikolausDer Brauch der Einkehr des heiligen Nikolaus, der die Kinder prüft und beschenkt, ist etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in der Nachfolge der mittelalterlichen Mirakelspiele belegt.Die Kinder bereiteten die Einkehr des Heiligen vor, indem sie beteten und einen Teller vor die Haustür stellten. Neben diesen Teller platzierten sie ein Kerbholz, in das sie die Anzahl ihrer Gebete in Vorbereitung des heiligen Besuchs eingekerbt hatten.Dazu kamen Hafer und Stroh für den Esel, das Reittier des heiligen Bischofs.Die GabenDie Gaben des heiligen Nikolaus waren ursprünglich sehr von der Jahreszeit bestimmt. So gab es Äpfel, Nüsse und Esskastanien.Ein sehr alter Brauch sind auch die »Gebildbrote«, die die unterschiedlichsten Figuren darstellten: Hasen, Hühner, Hirsche, Schweine, aber auch Bischöfe und Heilige. Bis heute kennt jedes Kind — je nach Region — den Stutenkerl, Nikolauswecken oder Weckemann. Auch die Herstellung von Spekulatius hat ihren Ursprung in diesem Nikolausbrauch.Der Klausenbaum, der in Altbayern und in der Schweiz zum Nikolaustag aufgestellt wurde und mit Äpfeln und Nüssen bedeckt war, wurde später vom Weihnachtsbaum abgelöst.Ebenso neueren Ursprungs sind die mit Süßigkeiten aller Art gefüllten Tüten.Wenn er die Gaben nicht während der Nacht brachte, erschien der Nikolaus persönlich im Bischofsmantel mit Mitra und Bischofsstab.Seit wann er Begleiter hat, ist historisch nicht genau festzulegen, sie sind je nach Landschaft auch sehr verschieden. Während der heilige Nikolaus immer ein gütiger, die Kinder befragender und beschenkender Mann ist, sind seine Begleiter im Gegensatz dazu meist eher Schreckgestalten, die sich so von dem gütigen Mann umso mehr abheben.So heißt der Begleiter des Nikolaus im Rheinland, in Westfalen und in vielen anderen Gegenden Deutschlands Hans Muff oder Knecht Ruprecht. Meist hat er ein geschwärztes Gesicht oder er trägt eine Maske.Weibliche Begleiterinnen des Bischofs sind eher die Ausnahme. So gibt es im Berchtesgardener Land das Nikoloweib, dessen Herkunft allerdings nicht geklärt ist. Im Rheinland ist es die heilige Barbara, die den heiligen Nikolaus begleitet.Ebenfalls im Berchtesgardener Land kennt man die Kramperln, meist zwei Gestalten, die in ein dunkles Fell gehüllt sind und am Kopf zwei Hörner an einer Haube aus rohem Stoff oder Lammfell tragen.An die Stelle der Kramperln treten zuweilen auch die Buttenmandln, die vor dem Eintreffen des heiligen Nikolaus, oder auch wenn er bereits wieder gegangen ist, in ihrer Verkleidung aus Stroh und mit ihren Tiermasken die Kinder ziemlich das Gruseln lehren können.Theologische Realenzyklopädie, herausgegeben vonManfred Becker-Huberti: Feiern - Feste - Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr. Geschichte und Geschichten, Lieder und Legenden. Freiburg im Breisgau 1998.Hermann Kirchhoff: Christliches Brauchtum. Feste und Bräuche im Jahreskreis. München 31998.
Universal-Lexikon. 2012.